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                                  Der lebendige Spiegel im Menschen

Der lebendige Spiegel im Menschen

In Resonanz lernen - lösen - leben - lieben

von Jacqueline Jacobsen und Olaf Jacobsen

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Inhaltsverzeichnis

Leseprobe


Aufwühlend und aufrüttelnd!

In der Neurobiologie weiß man, dass unser Gehirn die Realität in sich selbst konstruiert. In den Systemischen Aufstellungen werden im zwischenmenschlichen Bereich „resonierende Empfindungen“ erlebt. Jacqueline und Olaf Jacobsen entwickeln daraus ein einzigartiges Menschenbild – und nutzen es für ihre Beziehung. In diesem atemberaubenden Pionier-Buch beschreiben sie ihre heilenden Sichtweisen, Umgangsformen und Methoden, die auf alle Arten von Beziehungen übertragbar sind und Augen öffnen.

Die Scheidungsquote in Deutschland ist hoch. Viele Partnerschaften zerbrechen. Auch Jacqueline und Olaf hatten sich nach fünf anstrengenden Beziehungsjahren im Jahr 2009 getrennt. Beide nahmen dieses Schicksal als Spiegel, zur Selbstreflexion. Knapp zwei Jahre später beobachteten sie, dass sie sich wieder näherkommen – fast automatisch. Es folgte die Verlobung und 2012 die Hochzeit.
Heute sagen sie begeistert: „Die Annäherung hört einfach nicht auf! Wir reflektieren viel – und unsere Ehe wird immer liebevoller, offener, herzlicher, kuscheliger und freier!
Sie schildern mit ergreifenden Beispielen, wie man allein oder zu zweit Spiegel-Methoden anwenden kann, um sich im Leben immer harmonischer und stimmiger zu fühlen – auch im Job.

Wir erleben mehr Selbstvertrauen, Offenheit, innere Stärke und einen klaren Überblick. In unseren Gefühlen entfalten sich sowohl fundamentale Selbstliebe als auch eine tiefe empathische Liebe zum Gegenüber.

 

leeeer
Inhaltsverzeichnis:

Der lebendige Spiegel

I  Die erste Spiegel-Ebene: DER KREATIVE

    Wie wir uns kreativ an ein neues Selbstbild gewöhnen

    "Das ist mein kraftvolles Gehirn!"

    „Du projizierst gerade!“                           

    Die Essenz des ersten Kapitels                      

II   Die zweite Spiegel-Ebene: DER VERWUNDETE           

    Wie wir optimal im Fluss bleiben                 

    Lebe ich Verantwortungsabgabe oder Spiegel-Bewusstsein?            

    Wie wir eigenverantwortlich mit Verletzungen umgehen             

    Verletzungen sind oft seelische Phantomschmerzen        

    Wie wir seelische Phantomschmerzen auflösen               

    Wie wir erfolgreich Projektionen weiterentwickeln           

    „Das ist dein Problem!“                           

    Die Essenz des zweiten Kapitels                  

III   Die dritte Spiegel-Ebene: DER FORSCHER           

    Der einzige Maßstab: unser Stimmigkeitsgefühl             

    Unser Universum besteht aus Kräften / Wünschen            

    „Alles ist DAS WÜNSCHENDE“                       

    Unsere Wünsche sind effektive Veränderungsregler                

    So funktionieren wir                           

    Wo wirken welche Wünsche?                       

    Die große Falle: Schuldzuweisung                     

    Wie wir Schuldzuweisungen auflösen                       

    Die Essenz des dritten Kapitels                      

IV   Die vierte Spiegel-Ebene: VERBUNDENHEIT            

    Spukhafte Fernwirkungen überall                         

    Wir können die Verbundenheit nicht direkt wahrnehmen           

    Unser Umfeld beeinflusst unsere Wünsche               

    Wie wir Rückschlüsse auf unser Umfeld ziehen können                

    Wer beeinflusst eigentlich wen?                   

    Die Essenz des vierten Kapitels                   

V  Das Spiel mit dem lebendigen Spiegel                   

    Ich fühle mich wie ein "weises freies Kind"                           

    Wie wir unser Umfeld
        optimal als Spiegel für uns selbst nutzen            

    Was hilft "wirk-" lich?                           

    Aus unserer Beobachtung des Umfeldes
        stellen wir Vermutungen über uns selbst an           

    DIE VIER SZENEN                           

    Herzzerreißendes Weinen als höchst effektives Lösungswerkzeug

    Wie wir Autoren uns gegenseitig beim Spiegeln helfen        

    Die Regeln des Freien Aufstellens auf den Alltag übertragen            

    Ein Unterscheidungs-Spiel zur Verfeinerung
        unserer Realitätsabbildung im Gehirn        

    „Augen auf!“ – Befreie dein Stimmigkeitsgefühl

    Wie lernen und wachsen wir mit Freude?                

    Wie wir unsere Problemtrancen nachhaltig auflösen
          - ein erlösender Überblick                
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Danke

Über die Autoren

Literaturverzeichnis

 

 

Entscheidende Textausschnitte:

Liebe Leserinnen und Leser,

 

vielleicht wird Ihnen auffallen, dass wir Autoren in diesem Ratgeber privat und persönlich schreiben – auch wenn wir öfter „abstrakte“ Gedankengänge haben oder manche Erkenntnisse von Wissenschaftlern ansprechen. Vielleicht haben Sie sogar das Gefühl, dass wir Ihnen einen langen persönlichen Brief schicken. Dann liegt das daran, dass wir uns genau das auch vornehmen. Wir wollen so tun, als ob wir einen ganz persönlichen Brief an Sie schreiben.

Je intensiver wir uns mit den Themen „Spiegel“ und „Resonanz“ befasst haben, desto deutlicher haben wir wahrgenommen: Wir fühlen uns nur authentisch, wenn wir persönlich (= subjektiv) von uns selbst berichten. Wir können und wollen uns nicht hinter einer Objektivität eines Fachbuches verstecken, die eigentlich gar nicht möglich ist.

Denn – was sehen wir, wenn wir direkt in einen Spiegel schauen? Uns selbst. Wenn wir also über diesen Spiegel und seinen Inhalt berichten, reden wir über das, was wir darin entdeckt haben: uns selbst.

 

Betrachten Sie unseren langen Brief bitte aus zwei Perspektiven:

1.  Er spiegelt ausschließlich unsere persönliche, subjektive Realität wider.

2. Er könnte Ihnen selbst als „Spiegel“ dienen. Wie stellen Sie unsere Realität in sich selbst dar und wie reagieren Sie darauf? Wie gehen Sie damit um?

 

Wir wollen schon gleich zu Beginn tief in das geheimnisvolle Phänomen der Spiegelung eintauchen: Was ist ein Spiegel und wofür können wir ihn einsetzen?

Stehen wir vor einem Spiegel und schauen direkt hinein, dann reflektiert der Spiegel Teile von uns selbst. Wenn wir lächeln, dann blickt unser Spiegelbild genauso lächelnd zurück. Machen wir einen grimmigen Gesichtsausdruck, dann sehen wir auch ein grimmiges Spiegelbild. Wenn wir unserem Spiegelbild liebevoll in die Augen schauen, dann beobachten wir, wie unser Spiegelbild uns liebevoll in die Augen schaut.

Wir beeinflussen als Beobachter das, was wir beobachten. Deswegen können wir das, was wir beobachten, oft auch positiv beeinflussen.

Inzwischen ist uns das Beeinflussen unseres Spiegelbildes so selbstverständlich geworden, dass wir darüber nicht mehr erstaunt sind. Bei jungen Katzen oder Hunden oder auch kleinen Kindern, die zum ersten Mal in einen Spiegel schauen, können wir die Faszination des „Spiegel-Spiels“ noch entdecken. Wir Spiegel-Erfahrene nutzen unser Spiegelbild inzwischen, um uns erfolgreich zu schminken oder zu rasieren oder Ähnliches. Wir schauen unser Gesicht oder unseren Körper genauer an, um eventuell Dinge an uns zu entdecken, die wir noch zum Besseren verändern wollen. Ohne Spiegelbild könnten wir diese Dinge nicht sehen und daher auch nicht gezielt verändern. Spiegel sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Wir brauchen sie.

Allerdings gibt es nicht nur glatte Spiegel, die wir im Kaufhaus erhalten. Es gibt auch „lebendige Spiegel“ um uns herum, mit deren Hilfe wir unseren persönlichen Entwicklungsprozess intensivieren und beschleunigen können.

Viele Autoren von Lebenshilferatgebern schreiben darüber, dass die Menschen um uns herum einen Spiegel für uns darstellen. Sie schreiben, dass sich unser lebendiges Umfeld mit uns in Resonanz befindet und wir es direkt oder indirekt beeinflussen. Im wissenschaftlichen Bereich wird in der Quantenphysik schon lange darüber gesprochen, dass der Beobachter das Beobachtete beeinflusst. Dementsprechend spiegelt sich in einem Forschungsergebnis auch mehr oder weniger die Haltung des beobachtenden Wissenschaftlers wider. Jede Wissenschaft ist subjektiv geprägt.

Die Frage ist: Wie können wir so einen lebendigen Spiegel in der Partnerschaft oder im Alltag als wunderbares Potenzial erkennen und erfolgreich für uns selbst einsetzen? ....

Seite 37

... Ein Mensch wird nie endgültig entscheiden können, wie nahe er mit seiner subjektiven Realität an die wirkliche äußere Realität herankommt, also ob sie falsch oder richtig ist. Es gibt keinen „objektiven Maßstab“, der den Grad der Übereinstimmung wird bestimmen können. Der U-Boot-Kapitän schaut nicht durch ein Fenster nach draußen, sondern muss alles so intelligent wie möglich aus der Anzeige seiner Messinstrumente folgern. Das bedeutet aber auch:

Jede subjektive Realität wird immer nur ein unfertiges Abbild mit blinden Flecken bleiben. Daher kann niemand sein Umfeld perfekt verstehen. Man erreicht lediglich „Annäherungen“. Von einem wirklichen „Verständnis“ können wir eigentlich gar nicht mehr reden. Es gibt immer nur „Missverständnisse“. Letztendlich geht es beim Wunsch, sein Umfeld so gut wie möglich zu verstehen, darum, das am besten funktionierende Missverständnis zu finden.

„Ich weiß, dass ich nicht weiß.“ (Sokrates)

Bei diesem Menschenbild müssen wir davon loslassen, jemals einen anderen Menschen oder einen Sachverhalt komplett perfekt wahrnehmen und verstehen zu können. Wir müssen jederzeit unsere blinden Flecken und die Unvollständigkeit und Unschärfe unseres Gehirns mit einberechnen.

Gleichzeitig bietet dieses Menschenbild eine enorm große Chance für uns selbst. Wenn wir „eigentlich“ nur unser kraftvolles Gehirn wahrnehmen können, dann bedeutet es, dass wir in Wirklichkeit uns selbst genau wahrnehmen können!

An dieser Stelle kann ich wieder an den Begriff des „Spiegels“ erinnern. Was macht ein Spiegel? Er bietet uns eine klare Fläche, in der wir uns selbst genau wahrnehmen können. Er spiegelt uns.

Jetzt kommt der phänomenale allumfassende Schluss, den wir aus dem bisher Beschriebenen ziehen können:

Wenn wir immer nur unser Gehirn wahrnehmen und was es aus den Schwingungen und Feldern in unserem Umfeld macht, was es kraftvoll erschafft, dann können wir das als Spiegel für uns selbst nutzen. So, wie wir unser Umfeld projizieren und bewerten, sind wir selbst. Es ist die Schöpferleistung unseres eigenen Gehirns.

Wir schauen also permanent in den Spiegel!

Seite 41

... Je bewusster uns Menschen ist, dass unser Gehirn permanent ein Schöpfer ist und die äußere Welt nur in sich nachbildet, desto mehr erkennen wir: Wir haben die volle Verantwortung für unsere Nachbildung! Wir haben die volle Verantwortung für unser inneres Erleben, für unsere Gedankenkraft und damit auch für unsere Verletzungsgefühle. Wir wissen: Unser Gehirn ist dafür verantwortlich, auf welche Weise es die äußeren Objekte nachbildet. Unser Gehirn gibt den äußeren Objekten eine subjektive Bedeutung (wie schauen wir in den Spiegel und wie gehen wir mit dem, was wir wahrnehmen, um?!). Je klarer wir die eigene Verantwortung erkennen, desto weniger Schuldzuweisungen und Vorwürfe machen wir anderen. Auch unsere Ängste gegenüber anderen Menschen nehmen ab, wenn wir letztendlich merken, dass wir nur vor uns selbst Angst haben, vor den schmerzvollen Konstruktionen unseres Gehirns.

Der bekannte Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawik schreibt dazu: „Aus der Idee des Konstruktivismus ergeben sich zwei Konsequenzen: Erstens die Toleranz für die Wirklichkeit anderer – denn dann haben die Wirklichkeiten anderer genauso viel Berechtigung, wie meine eigene. Zweitens ein Gefühl der absoluten Verantwortlichkeit. Denn wenn ich glaube, dass ich meine eigene Wirklichkeit herstelle, bin ich für diese Wirklichkeit verantwortlich.“

Im Grunde müssen wir radikal umdenken und wirklich für alles die Verantwortung übernehmen: Dafür, wie unser Gehirn mit den hereinkommenden Signalen umgeht, haben wir selbst die volle Verantwortung. Dafür kann niemand anderes die Verantwortung übernehmen.

Seite 60 ff.

Als Kind hatte ich eine Hexe unter meinem Bett vermutet. Ich hatte Angst davor, dass sie mir abends meine Füße festhält, wenn ich ins Bett steige. Deswegen machte ich immer einen großen Sprung. Wir wissen, dass dies die Fantasie eines Kindes war. Wir wissen jetzt aber auch, dass wir heute nichts anderes machen: Unser Gehirn projiziert etwas.

Viele Jahre nach einer Trennung denken Menschen an ihren Ex-Partner und ärgern sich in der Gegenwart immer noch über ihn und sein damaliges Verhalten. Sie denken an ihre Eltern und fühlen immer noch Wut oder Hemmungen oder andere unangenehme Gefühle. Sie denken an längst vergangene Situationen, fühlen aber in der Gegenwart immer noch das gleiche Gefühl in sich auftauchen, das sie auch damals hatten.

Was passiert? Das Gehirn projiziert etwas.

Wir haben mehrere Möglichkeiten, mit den Projektionen unseres Gehirns umzugehen und sie weiterzuentwickeln. Ich erläutere ein paar Möglichkeiten anhand meines Beispiels aus meiner Kindheit:

1.  Ich suche danach, welche Fähigkeiten ich entwickeln müsste, um mich erfolgreich vor der Hexe zu schützen. Oder was würde helfen, eine große Macht zu erlangen, so dass die Hexe keine Chance mehr hätte und bei jedem Kampf die Unterlegene sein würde? Und ich wäre permanent der Gewinner!

2.  Ich suche danach, auf welche Weise ich diese Hexe vernichten könnte. Wie könnte ich sie töten? Was bräuchte ich für Werkzeuge, damit die Vernichtung auch vollkommen wirkt und die Hexe nie wiederkommt? Dann würde ich mich endlich frei und unabhängig fühlen.

3.  Ich suche danach, wie ich mich mit der Hexe versöhnen könnte. Welche Rituale bräuchte ich? Sollte ich die Wünsche der Hexe integrieren? Oder sie einfach so achten, wie sie ist? Will sie vielleicht nur gewürdigt werden? Vielleicht genügt eine Verneigung vor ihr – und dann können wir uns friedlich die Hand reichen und sie respektiert auch meinen Wunsch, dass ich in Ruhe in mein Bett steigen darf.

4.  Ich probiere aus, wie es ist, wenn ich allem zustimme, was die Hexe vorhat. Wenn ich sie bedingungslos liebe. Alles, was sie plant und mir antun würde, darf dazugehören und ich halte es aus und trage es mit. Aus allem kann ich lernen. Es dient für meinen Wachstumsprozess. Alles hat seinen Sinn.

5.  Oder ich schaue einfach unter das Bett und entdecke, dass die Hexe gar nicht existiert. Sie war „nur“ eine Projektionsleistung meines Gehirns. Und wenn ich hinterher doch noch einmal Angst bekomme, sage ich mir: „Das ist mein kraftvolles Gehirn!“

 

6.  Allerdings könnte sich in meiner Fantasie während der Versöhnung (siehe Möglichkeit 3) die Hexe auch in eine liebevolle und verständnisvolle Fee verwandelt haben, bei der ich mich endlich so geborgen fühle, wie ich es noch nie fühlen durfte. Dann schaue ich lieber nicht unter das Bett, sondern stelle mir weiter vor, dass da eine Fee unter meinem Bett liegt und mir Geborgenheit, Verbundenheit und Nähe vermittelt. Falls ich entdecken müsste, dass es sie gar nicht gibt, würde ich ein tiefes Verbundenheitsgefühl verlieren – und das tut weh. Ich wäre plötzlich ganz alleine. Da projiziere ich doch lieber weiter eine liebe Fee unter mein Bett, anstatt mich mit der harten Realität zu konfrontieren.

 

Ich löste damals mein Problem mit Hilfe der Möglichkeit Nr. 5 und finde, sie lässt sich gut auf viele andere Situationen übertragen. In jedem Moment, in dem ich ein Problem fühle, habe ich die Wahl, „unter das Bett zu schauen“ und mich zu fragen:

„Sind meine Bilder und Gefühle jetzt gerade angemessen? Durch welche Aktion/Frage kann ich die gegenwärtige Situation erforschen und noch genauer kennenlernen? Wie ist die Situation jetzt gerade in Wirklichkeit?“



Seite 66 ff.

Was ist eine Kriegstrance? Soldaten im Einsatz können nur auf andere Menschen schießen, wenn sie gleichzeitig ihr Mitgefühl, ihre Empathie komplett abgestellt haben. Man kann nur andere Menschen beschimpfen, wenn man gleichzeitig sein Mitgefühl für diese anderen Menschen abgeschaltet hat. Wenn mich also ein Mensch verbal angreift, hat er den Kontakt zu seinem Mitgefühl unterbrochen und befindet sich in einer Kriegstrance.

Ich fühle das in Form eines Ohnmachts- und Kleingefühls, denn der andere ist nicht mehr zugänglich, nicht mehr offen. Er wirkt wie hypnotisiert in dem, was er tut. Ich werde von ihm nicht mehr wirklich wahrgenommen und habe keine Chance. Daher macht es auch keinen Sinn, irgendetwas zu sagen, und ich fühle mich sprachlos. Die einzige Möglichkeit wäre, zum anderen ein Gleichgewicht einzugehen und zurückzuschießen. Doch dazu müsste ich ebenso mein eigenes Mitgefühl abstellen und mich in eine Kriegstrance begeben, was ich aber nicht wählen möchte.

Lasse ich meine Empathie, mein Mitgefühl offen, dann fühle ich etwas vollkommen Natürliches: den Verlust einer Verbundenheit. Der andere hat in sich selbst seinen empathischen und mitfühlenden Teil abgespalten. Zu diesem Teil hat keiner von uns beiden mehr Zugang. Er ist gerade „verlorengegangen“. Mein Verletzungsgefühl ist etwas Natürliches, etwas Menschliches, wie der Schmerz meiner Hand auf einer heißen Herdplatte. Entweder ziehe ich mich zurück oder halte das Gewitter aus, bis es vorbei ist.

Über den anderen denke ich: Er war früher einmal ganz offen. Doch dann musste er öfter erleben, dass er verletzt wurde. Diese Verletzungen konnte er nicht verarbeiten. Er hat nicht gelernt, lösend damit umzugehen. Und so befindet sich ein Teil seines Gehirns in einem ungelösten Schmerzzustand. Mein Verhalten hat diesen Schmerz aktiviert – und jetzt ist er gerade aus diesem Schmerz heraus gestresst aktiv und verletzt andere Menschen.

Wenn er diesen Schmerz in sich erlösen möchte, wenn er sich für sein eigenes Mitgefühl und seine Empathie wieder öffnen möchte, müsste er sich zuallererst dem Schmerz stellen, andere Menschen verletzt zu haben. Ein Soldat, der seine Empathie beim Verletzen oder Töten anderer Menschen abgestellt hat und der nun wieder Zugang zu seiner Empathie haben möchte, müsste zuallererst den tiefen Schmerz in sich zulassen, einen anderen Menschen getötet zu haben. Er müsste sich erlauben, diesen Schmerz zu fühlen, intensiv auszudrücken und fließen zu lassen (weinen).

Das ist einer der schlimmsten Schmerzen, die ein Mensch zu verarbeiten hat. Vielen Eltern geht es so, dass sie einen (unbewussten) Schmerz darüber in sich tragen, wie sie damals ihre eigenen Kinder behandelt haben. Wenn diese Schmerzen emotional komplett ausgedrückt und damit verarbeitet werden, bekommt ein Mensch allmählich wieder tieferen Zugang zu seinem Mitgefühl und seiner Empathie.

Da auch ich andere Menschen verletzt habe, weiß ich, wie unendlich schwer und wie schmerzvoll das ist. Deshalb kann ich den Menschen, der mich gerade anschreit, sehr gut verstehen. Ich kann verstehen, dass es ihm im Moment nicht gelingt, darüber zu reflektieren, wie er sich gerade mir gegenüber verhält oder wie er sich schon früher gegenüber anderen Menschen verhalten hat. Es ist auf jeden Fall leichter für ihn, weiterhin anderen Menschen eine Schuld zuzuweisen und gegen sie zu kämpfen, als sich seinem eigenen unverarbeiteten Schmerz zu stellen.

Ich unterscheide deutlich: Möglicherweise habe ich seinen Schmerz und damit seine Kriegstrance ausgelöst. Ich bin aber nicht dafür verantwortlich, wie er nun mit diesem Zustand umgeht. Sein Umgang damit hat mit mir nichts zu tun. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht mit ihm mitfühle. Es bedeutet nur, dass ich mich an seiner Kriegstrance nicht schuldig fühle.


Seite 96 ff.

Haben wir kein Ziel, dann fühlen wir Ausgeglichenheit und Wertfreiheit. Sobald wir aber ein Ziel verfolgen, können wir blitzschnell fühlen, was uns einerseits unterstützt, dieses Ziel zu erreichen, und was uns andererseits von dem Ziel abhält. Alles, was uns behindert, gehört nicht zu unserem Ziel dazu. Deswegen „bewerten“ wir es automatisch negativ. Manchmal reagieren wir sogar blitzschnell mit den Worten „Mist!“ oder „Dieser Mistkerl! Kann er nicht mal aufpassen?!“ Jeder Unfall, jeder Konflikt, jeder Fehler, jedes unpassende Verhalten eines anderen Menschen sind im Grunde „falsch“. Sie entsprechen nicht unserem Ziel und stellen eine Störung dar. So eine Bewertung ist eine vollkommen natürliche Reaktion.

Es gibt Menschen, die daran arbeiten, diese Wertungen grundsätzlich loszuwerden und stattdessen der Situation liebevoll zuzustimmen. Ich biete Ihnen jedoch die innere Haltung an, Wertungen als vollkommen normal anzuerkennen, also auch den Wertungen zuzustimmen.

Unsere Wertungen hören erst auf, wenn wir unser Ziel erreicht oder losgelassen haben, wenn wir also komplett ziellos sind, wenn wir einfach nur „sind“, ohne jegliches Ziel.

Allein durch die Existenz eines Zieles werden wir automatisch zum Unterscheider zwischen Gut und Böse, zwischen richtig und falsch, zwischen „das gehört dazu“ und „das gehört nicht dazu“.

„Wünsche wecken Wirkungen und Wertungen“ – besser ist es nicht auf den Punkt zu bringen.

In der Ziellosigkeit sind wir einfach nur erleuchtet und können allem zustimmen, wie es ist, können es geschehen lassen.

 

Ich fahre wesentlich entspannter Auto, seitdem ich zustimme, dass andere Autofahrer grundsätzlich Vorrang vor mir haben wollen. Ich habe mein eigenes Ziel, Vorrang vor anderen Autofahrern zu haben, verändert in das Ziel, anderen Autofahrern Vorrang zu geben, wenn sie es gerade so wollen. Durch diese Entscheidung werte ich den Drang fremder Autofahrer nicht mehr als „störend“, sondern er gehört für mich dazu und ich bin dabei entspannt, wenn ich ihnen den gewünschten Vorrang gebe.

Habe ich das Ziel, morgens pünktlich zur Arbeit zu kommen, bin aber zu spät losgefahren, dann bewerte ich jede rote Ampel als Hindernis. Lasse ich jedoch mein Ziel los und stimme zu, dass ich später komme, sind die roten Ampeln „nur noch“ rote Ampeln – ohne Bewertung.

 

Wenn Wertungen automatisch entstehen, sobald wir ein Ziel verfolgen, können wir diesen Automatismus auch umgekehrt anwenden: Wenn wir eine Wertung erleben, dann bedeutet es automatisch, dass gerade ein bestimmtes Ziel verfolgt wird – bewusst oder unbewusst.

 

Ich nutze oft mein spontan wertendes Verhalten als Zeichen dafür, dass ich gerade ein Ziel verfolge. Denn manchmal sind mir meine Ziele nicht bewusst. Untersuche ich also meine Wertungen, dann kann mir wieder bewusst werden, welches Ziel ich gerade verfolge.

Kleine Babys zeigen bereits durch ihre Wertungen, durch ihr Schreien und Quengeln, welche Zielerreichung sie blockiert fühlen. Gleichzeitig können wir daran ablesen, welches Ziel sie verfolgen, welchen Wunsch sie haben und auf welche Weise wir ihnen helfen können.

Hinter jeder Wertung steckt ein Ziel. Hinter jedem Konflikt stecken mehrere Ziele, die sich gerade gegenseitig behindern. (Ich fasse im Weiteren die Begriffe „Ziel, Plan, Wunsch, Bedürfnis, Sehnsucht, Absicht, Richtung, Bestreben, Anliegen etc.“ in dem Begriff „Wunsch“ zusammen.)


Wollen wir nun Wertungen und Konflikte verändern, dann geht es nicht darum, sich um die Wertung zu kümmern, die Wertung zu bekämpfen, zu unterdrücken oder den Konflikt zu vermeiden. Viel besser funktioniert es, wenn wir den direkten Weg über die dahinter stehenden Wünsche nehmen!

Wir können die Änderung einer Wertung über die Änderung unserer eigenen Wünsche regeln. Der Änderungsdrehknopf oder der „Regler“ sind unsere Wünsche. Drehen wir an unseren Wünschen und machen sie stärker oder schwächer, dann können wir gleichzeitig damit unsere Wertungen, Konflikte, Druckgefühle, Stress und viele andere Unstimmigkeitsgefühle verändern – stärker oder schwächer machen. Denn sie sind alle eine Reaktion auf unsere Wünsche. Unstimmigkeitsgefühle sind eine „natürliche Folge“ unserer Wünsche, die wir gerade in uns tragen.

Wir können Wünsche nicht nur in der Stärke variieren, sondern wir können bei manchen Wünschen auch auf den Drehknopf drücken und sie dadurch ganz ausstellen (= den Wunsch komplett aufgeben, verzichten, nachgeben). Dann verschwinden sofort auch alle zu diesem Wunsch gehörenden Wertungen, Verletzungen und Konflikte.

Ganz logisch: Haben wir keinen Wunsch nach Nähe, dann kann uns niemand einen Verlustschmerz zufügen. Hat ein Kind keinen Wunsch, am Computer zu spielen, dann nützt auch kein Computerverbot, um das Kind zu bestrafen, denn das wäre dem Kind egal. Haben wir keinen Wunsch nach Freiheit, dann kann uns kein Gefängnis bestrafen. Hat ein Fußballspieler auf dem Platz kein Ziel mehr, den Ball in das gegnerische Tor zu befördern, dann wird er dafür nicht mehr kämpfen und wird auch nicht mehr vom Gegner bekämpft. Nur sein Trainer und seine Mitspieler bekämpfen ihn, weil er nicht mehr dem gemeinsamen Ziel zur Verfügung steht. Ist ihm dies auch noch egal, dann kann er glücklich auf dem Rasen sitzen und die Sonne genießen, die gerade auf das Fußballfeld scheint.

 

Im Buddhismus wird empfohlen, seine Anhaftungen aufzulösen. Leid entsteht durch Anhaftung. Je stärker wir an einem Ziel anhaften, je größer der Wunsch ist, das Ziel unbedingt zu erreichen, desto größer sind auch unser Leid und unsere Bewertungen, wenn wir Hindernisse oder Störungen erleben. Lösen wir die Anhaftung auf, dann können sich freie, gelöste Gefühle breit machen.

Das ist genau das, was ich hier beschreibe. Regeln wir einen Wunsch herunter, dann verringern wir unsere Anhaftung an ein Ziel bzw. wir geben das Ziel ganz auf. In diesem Moment verändert sich auch automatisch unsere Bewertung. Ein ganz logischer Zusammenhang.




Seite 101 ff.



Jacqueline:

Als mir Olaf von dem Drehknopf erzählte, mit dem man Wünsche hinauf- oder herunterregeln kann, hatte ich danach eine sehr unruhige Nacht. Ich hatte tagsüber mitten in Verhandlungen mit einer Fluggesellschaft gesteckt, die mir einen nicht unerheblichen Betrag zurückerstatten sollte. Als ich mir nun nachts vorstellte, was ich denn noch tun könne, um das Geld zurückzubekommen, fühlte ich sehr viel Stress und Wut in mir. Doch jedes Mal, wenn ich mir vorstellte, den Wunsch loszulassen, fühlte ich mich ausgeglichen. Es gab nur ‚entweder – oder’. Mein Schalter war nicht stufenlos regelbar – es gab nur ‚ein’ oder ‚aus’. War der Schalter eingeschaltet, fühlte ich mich mit meinem Stress und Ärger wie ein Rottweiler, der die Fluggesellschaft anknurrte und anbellte. War der Schalter ausgeschaltet, fühlte ich mich wie ein Baby – völlig hilflos. Ich fühlte keinen Impuls mehr, mich überhaupt noch um das Geld zu kümmern.

Ich überlegte, wie es für mich optimal wäre und mir fiel Folgendes ein: Ich würde gerne den Wunsch mit Hilfe des Schalters fast ganz herunterregeln, aber dennoch Spaß und Freude daran haben zu erforschen, ob es noch Mittel und Wege gibt, zu meinem Recht und somit zu meinem Geld zu kommen. In meiner Phantasie erschien daraufhin eine in Bändern eingewickelte Gestalt, die wie eine Mumie aussah. Als ich mich in diese ‚Mumie’ einfühlte, wusste ich sofort, was sie darstellte: meinen kreativen Anteil. Genau, das wäre des Rätsels Lösung: ohne Druck und innere Erwartungen – also den Wunschschalter fast heruntergeregelt – mit diesem kreativen Anteil zu erforschen, ob es mir gelingen würde, das mir rechtmäßig zustehende Geld zurückzubekommen.

Doch leider waren diesem kreativen Anteil die Hände und auch alles andere gebunden. Als ich mir versuchte vorzustellen, wie die ‚Mumie’ einen Finger aus den Bändern hervorstreckt, kam eine Hand aus dem Nichts und schlug auf den Finger ein, so dass die ‚Mumie’ die Finger schnell wieder unter die Bänder steckte. In dieser Nacht kam ich mit meinem inneren Bild nicht weiter: Ich fühlte mich weiterhin als Rottweiler, wenn ich das Ziel verfolgte, das Geld zurückzubekommen. Ich fühlte mich wie ein hilfloses Baby, wenn ich ganz von dem Wunsch losließ, und sah die Mumie neben mir stehen – meinen kreativen Anteil, der nicht handeln konnte.

Dennoch war ich morgens sehr dankbar, dass mir aufgrund der Probleme mit der Fluggesellschaft dieses Thema bewusst werden durfte. Denn diese drei ‚Gefährten’ (Rottweiler, Mumie und Baby) begleiten mich schon fast mein ganzes Leben lang. Sicher waren alle drei in der Form zu irgendeiner Zeit in meinem Leben sinnvoll gewesen und haben mir sehr geholfen, denn sonst hätte mein Gehirn diese Anteile nicht entwickelt. Doch inzwischen hatten sich meine Ziele verändert, so dass ich mir nun wünschte, diese drei Gefährten auch verändern zu können. Dabei ging es mir natürlich hauptsächlich um die Befreiung und Belebung der ‚Mumie’.

Allein durch die Bewusstwerdung dieses Themas hatte ich die Idee und auch die Energie, mich beim Luftfahrt-Bundesamt über meine Rechte zu erkundigen und bekam prompt eine für mich sehr positive Antwort. Kurzerhand schrieb ich eine sehr klare E-Mail an die Fluggesellschaft und fühlte mich dabei ziemlich entspannt.

Olaf schlug mir zur Lösung meines Problems vor, in meiner Fantasie die ‚universellen Eltern’ als Unterstützung hinter die Mumie zu stellen. Vielleicht können sie meinem eingewickelten kreativen Anteil einen lösenden Rahmen bieten, in dem er sich befreien kann.

Zur Erklärung: Die ‚universellen Eltern’ sind bei unseren Workshops ‚Freie Systemische Aufstellungen’ ein Werkzeug und wie folgt definiert: Die universelle Mutter und der universelle Vater stellen jene Eltern-Energie dar, die frei von allen problematischen Anteilen ist. Sie bestehen aus der reinen Elternliebe, die in allen Eltern vorhanden aber leider oft durch Traumata und unverarbeitete Schmerzen verschüttet ist.

Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass die universellen Eltern hinter meinem Mumien-Anteil stehen und ich mich in die Mumie einfühle, dann kommt ganz viel Schmerz in mir hoch. Der Schmerz ist so heftig, dass die Mumie in sich zusammensackt und auf dem Boden zusammengekauert liegen bleibt. Bei mir selbst fließen die Tränen des Schmerzes. Während ich noch im Gefühl der Mumie bleibe und weine, verändern sich die Bilder in meinem Gehirn wie von selbst. Die Bänder, die aus meinem kreativen Anteil eine Mumie gemacht haben, lösen sich ein bisschen und bilden nun eine Art Kokon, in dem mein kreativer Anteil sich frei bewegen kann.

Das erste, was der kreative Anteil macht: Er berührt alle seine in der Kindheit verletzten Teile. Er berührt seine Finger, auf die geschlagen wurde – die Pobacken, auf die geschlagen wurde – die Wangen, auf die geschlagen wurde – den Hinterkopf, auf den geschlagen wurde – und er berührt zum Schluss mit beiden Händen sein Herz, das so oft verletzt worden ist. So sitzt der kreative Anteil im Schneidersitz in dem Kokon und weint – so wie ich jetzt hier auch weine, während ich mir das vorstelle und aufschreibe. Ich frage mich, warum der Kokon im Kontakt mit den liebevollen, universellen Eltern noch notwendig ist. Die Antwort erscheint sofort wie von selbst in meinem Gehirn: Du hast noch Angst, dich so zu zeigen, wie du wirklich bist – mit all deinem Leid – mit all deiner Kreativität. Die Bänder, der Kokon sind ein Zeichen deiner Angst und deines Schmerzes.

Wenn ich mir jetzt vorstelle, dass die Bänder auf den Boden fallen und die universellen Eltern mich liebevoll anschauen, dann kommen noch mehr Tränen…

 

Nachdem ich nun so lange geweint habe, bis alle Tränen versiegt sind, kann ich mir vorstellen, mich als kreativer Anteil von den universellen Eltern umarmen zu lassen. In meiner Fantasie hole ich noch die anderen Anteile dazu: den Rottweiler und das Baby. Doch auch diese Anteile haben sich inzwischen verändert. Der Rottweiler ist zu einem Schmusehund geworden und das Baby zu einer erwachsenen Frau.

In meinem Problem mit der Fluggesellschaft fühle ich mich nun vollkommen entspannt.


Seite 111 ff.

Die große Falle: Schuldzuweisung

 

Olaf:

Dieser gesamte Forscher- und Entwicklungsprozess in uns, über den wir die ganze Zeit in diesem Kapitel reden, läuft aber nur, wenn eine bestimmte Bedingung erfüllt ist. Ansonsten tut sich nichts. Diese Bedingung lautet:

Wir müssen davon ausgehen, dass wir ständig in den Spiegel schauen. Genau dann beziehen wir eine erfahrene Unstimmigkeit nämlich auf uns selbst, auf unsere Realitätsabbildung und auf unseren dahinter stehenden Wunsch. Dadurch wird unser Such- und Entwicklungsprozess angeregt. Er dient uns dafür, die erfahrene Situation genau zu erforschen. Wir machen uns die wirkenden Wünsche bewusst, lernen erfolgreich aus der Situation und gestalten unsere Wünsche und Realitätsabbildungen stimmiger.

Solange wir aber davon ausgehen, dass die Ursache einer Unstimmigkeit im Außen bei einem anderen Menschen liegt, sich diese Ursache im Moment nicht verändern lässt und wir gleichzeitig auf eine Änderung im Außen warten, bleibt unser Prozess inaktiv. Nichts in uns sucht nach einem besseren Gleichgewicht. Alles wartet auf die Änderung im Außen. Zusätzlich fühlen wir uns vom Außen abhängig und sind unzufrieden, wenn das Außen nicht so reagiert, wie wir es wünschen oder erwarten.

In diesem Warte-Ungleichgewicht verharrt unser Gehirn und führt dort, wo wir warten, keine Aktualisierungen mehr durch. Unser dahinter stehender Wunsch und unsere Realitätsabbildung bleiben in dem Zustand erhalten, in dem sie zu dem Zeitpunkt der Unstimmigkeitserfahrung waren. Denn der Wunsch und die Realitätsabbildung haben die Information: Sie sind richtig so, wie sie sind. Nur das Außen ist verkehrt und muss sich ändern. Also: Warten, bis das Außen sich verändert hat.

Seite 149 ff.

Jacqueline:

Erste praktische Beispiele:

Als mein Sohn ca. zwei Monate alt war, hat er jeden Abend geweint. Er war satt und wollte nichts mehr trinken, er hatte eine trockene Windel und hatte auch keine Bauchschmerzen. Ich wusste einfach nicht, was mit ihm los war. Er weinte und ich versuchte es mit Herumtragen und mit Wiegen – nichts konnte das Kind beruhigen. Nach zwei Stunden war ich verzweifelt und war völlig k.o. Ich legte mich mit dem Kind auf dem Bauch ins Bett und weinte einfach mit. Innerhalb von 10 Minuten waren wir  beide eingeschlafen.

Was war passiert?

Ein Baby fühlt den ungelösten Schmerz seines Umfeldes. Da es meistens noch ganz im Fluss der Gefühle ist, drückt es den Schmerz, den es vom Umfeld wahrnimmt, einfach durch Weinen aus. Weint das Umfeld diesen Schmerz selbst aus, dann wird er verarbeitet, kann verschwinden und auch das Baby muss ihn nicht mehr fühlen und nicht mehr ausdrücken.

Meine Freundin hatte eine sehr schwere Geburt mit Komplikationen, die in einem Notkaiserschnitt endete. Es ist für alle gut ausgegangen, doch Mutter und Kind hatten einige Schocks hinter sich. Als ich sie wenige Wochen nach der Geburt besuchte und Mutter wie Kind mit Hilfe meiner Körpertherapie hnc entstresste, erzählte mir meine Freundin, dass ihr Sohn sehr häufig weine. Obwohl er todmüde war, konnte er einfach nicht in den Schlaf finden. Während der Behandlung ihres Sohnes geschah dann genau das. Er weinte und ließ sich nicht beruhigen. Als ich meine Freundin beobachtete, sah ich, dass sie gegen ihre Tränen ankämpfte. Daraufhin fragte ich sie: „Was fühlst du gerade?“ – „Es tut mir so weh, dass er so leiden muss. Ich bin so hilflos, weil ich ihm nicht helfen kann.“

Ich bat sie, ihren Tränen freien Lauf zu lassen. Eine Mutter muss nicht immer stark sein und die Tränen unterdrücken, sondern sie sollte authentisch sein. Dann muss das Kind nicht die Tränen weinen, die sie unterdrückt. Augenblicklich fing sie ganz heftig an zu weinen und all die fürchterlichen Erinnerungen an die Geburt kamen hoch. Sie weinte darüber ausgiebig mit ihrem Sohn in ihrem Arm. Dieser beruhigte sich sehr schnell und schlief dann ganz friedlich. Seit diesem Tag konnte ihr Sohn viel leichter in den Schlaf finden.



Seite 180 ff.

Vielleicht haben Sie Freude an folgendem Spiel:

Entwickeln Sie bei jeder Situation – auch bei allen unangenehmen Situationen und bei Situationen, in denen Sie anderen Menschen zur Verfügung stehen müssen – das Gefühl: „Irgendetwas Geniales werde ich hier lernen können. Ich möchte herausbekommen, was!“

Die Situationen, in die Ihr Gehirn projiziert, dass Sie gerade ungewollt anderen Menschen oder anderen Mächten zur Verfügung stehen müssen und dabei intensiv von außen beeinflusst werden, können Sie mit diesem Spiel in Situationen verwandeln, in denen Sie einen großen Gewinn für sich selbst erkennen. Es bleibt nur noch die Frage, was für ein Gewinn!

„Irgendetwas Geniales werde ich hier lernen können. Ich möchte herausbekommen, was!“

 

Übertragen wir das auf die gegenseitige Beeinflussung:

Wenn wir uns die Frage stellen, wer gerade wen beeinflusst oder wer gerade wem zur Verfügung steht, dann können wir uns „eigentlich“ wieder auf die grundsätzliche Frage konzentrieren: Wo wirken welche Wünsche?

 Die Frage, wer gerade wen beeinflusst, würde ich generell beantworten mit: Wir beeinflussen uns immer gegenseitig.

Alles beeinflusst alles, weil alles mit allem in Verbindung steht. Dabei kann sich alles und jeder gleichzeitig weiterentwickeln.

 

Ich finde diese Sichtweise der permanenten gegenseitigen Beeinflussung noch viel günstiger als die Sichtweise, dass an einer bestimmten Stelle ein Einfluss von A auf B stattfindet. Was entsteht nämlich, wenn man diese zweitgenannte Sichtweise annimmt? Schuldzuweisungen! A ist schuld daran, wie B sich fühlen muss, weil ja A einen Einfluss auf B ausübt. Erinnern Sie sich: Bei einer Schuldzuweisung bleibt immer ein Wachstumsprozess stecken und wartet auf eine Änderung im Außen (in diesem Fall bei B).

Man kann aber die Sichtweise wählen, dass alles mit allem verbunden ist und sich permanent gegenseitig beeinflusst und dass man voneinander lernen kann. In dem Fall gibt es nicht nur einen Einfluss von A zu B, sondern immer auch gleichzeitig einen Einfluss von B zu A. Die Schuldzuweisungen heben sich gegenseitig auf, denn beide Seiten haben gleichzeitig Schuld. Beide beeinflussen sich gegenseitig. Beide haben sich auf irgendeiner Ebene durch bestimmte Wünsche gegenseitig angezogen, so dass nun diese Situation entstehen durfte. Aus dieser Situation dürfen alle Beteiligten intensiv lernen, wenn sie es wollen. Grundsätzlich können wir also alle Situationen im Leben als reine Win-win-Situationen umdeuten!



Seite 201 ff.

Ich habe immer noch nicht erklärt, warum Jacqueline und ich die Frage: „Wie können wir unser Umfeld optimal als Spiegel nutzen?“ mit „Gar nicht!“ beantworten. Das kommt jetzt:

Eigentlich ist es ganz einfach. Schauen wir noch einmal auf unsere (subjektive) These: „Wir können niemals aus unserem Gehirn aussteigen und die Realität direkt wahrnehmen.“

Nehmen wir diese These ernst, dann bedeutet das automatisch, dass wir die Realität auch niemals direkt als Spiegel für uns selbst einsetzen können. Denn:

Wie sollen wir einen Spiegel benutzen, wenn wir ihn nicht einmal direkt sehen können?

Das ist der alles entscheidende Punkt!

Stellen Sie sich vor, dass Ihre Augen nicht mehr scharf sehen. Ohne Brille nehmen Sie alles nur noch verschwommen wahr.

Jetzt stellen Sie sich ohne Brille vor einen Spiegel im Bad oder im Hausflur und sagen: „Oh, ich sehe heute aber verschwommen aus. Wenn ich aus dem Haus gehe, merken alle Menschen, wie verschwommen ich bin. Was kann ich tun, damit mein Gesicht nicht mehr so verschwommen ist? Ich muss es irgendwie schaffen, mein Gesicht wieder klarer zu bekommen. Vielleicht hilft dabei eine Gesichtsmassage. Oder ich gehe zu einem Modellierer …“

Sie merken: Das fühlt sich irgendwie unstimmig an, oder? Sie kommen auf ein ähnlich unstimmiges und verschwommenes Ergebnis, wenn Sie pauschal davon ausgehen: „Alles, was ich im Außen wahrnehme und was mir begegnet, spiegelt mein Inneres wieder.“

In Wirklichkeit müssten Sie erkennen, dass Ihre Augen nicht gut sehen. Und solange Ihre Augen nicht gut sehen, macht es auch keinen Sinn, im Außen in einen Spiegel schauen zu wollen. Aber es macht Sinn, sich um Ihre Augen zu kümmern und den Blick zu klären.

Wenn wir nicht wissen, wie klar wir eigentlich die Realität um uns herum wahrnehmen, dann macht es keinen Sinn, diese Realität als Spiegel einzusetzen. Stattdessen macht es Sinn, unsere Realitätsabbildung in unserem Gehirn als Spiegel zu nutzen. Es macht Sinn, sich um unsere Realitätsabbildung zu kümmern und sie immer weiter zu klären.

Der einzige (!) Maßstab, der uns bei dieser Klärung hilft, ist unser eigenes subjektives Stimmigkeitsgefühl – und nicht unser Umfeld.

Noch einmal auf den Punkt gebracht: Wenn wir permanent in den Spiegel schauen, weil wir die Projektion unseres Gehirns wahrnehmen, dann stellt nicht unser Umfeld einen Spiegel dar, sondern unsere Projektion!

Das, was wir in unser Umfeld projizieren, spiegelt uns.

Darin, wie wir unser Umfeld in uns abbilden, können wir uns spiegeln.

Es kann für uns einen Spiegel darstellen, wie wir das, was wir von unserem Umfeld wahrzunehmen meinen, bewerten, wie wir darüber denken, was wir dazu fühlen und wie wir damit umgehen.

Aber wie unser Umfeld „wirklich“ ist, können wir niemals wissen, da wir es nicht direkt wahrnehmen können. Daher können wir auch nie unser Umfeld direkt als Spiegel nutzen. Immer nur schwammig indirekt – über unsere unvollständige und unperfekte Realitätsabbildung.

 

Ich kann mir vorstellen, dass inzwischen einige Leser etwas verwirrt fühlen, denn wie soll man denn nun mit dem Spiegel im Umfeld umgehen? Welche Schlussfolgerung kann man aus diesem neuen Be-wusst-sein ziehen?

 

Unsere Schlussfolgerung ist: Wir sollten uns permanent be-wusst bleiben, dass all unsere Deutungen, Bewertungen und Interpretationen, die wir über unser Umfeld entwickeln, „unscharf“ sind und auch immer wieder anders ausfallen könnten. Es gibt keine „Eins-zu-eins-Übertragung“. Die Aussage „Wie innen, so außen“ ist äußerst relativ und hängt immer von der subjektiven Sichtweise des Betrachters ab.

Erinnern Sie sich an den Vollmond. Wir Menschen sehen immer noch eine Scheibe. Aber wir haben an diese Scheibe das Wissen geknüpft, dass der Mond eine Kugel ist. Genauso empfehle ich Ihnen, Ihr Alltagsbewusstsein mit folgendem Wissen zu verknüpfen:

1.   Alles, was Sie im Alltag wahrnehmen, ist Ihr kraftvolles Gehirn, das auf einer tiefen Ebene mit allem in Verbindung steht.

2.   Alles, was Sie in Ihrem Umfeld als Feedback oder als Spiegel für sich nutzen, ist Ihre eigene wandelbare Realitätsabbildung. Deswegen ist alles immer unterschiedlich interpretierbar und könnte auch ganz anders und vor allem noch stimmiger (!) sein, als Sie es gerade denken und fühlen.

3.   Wenn Sie im Alltag ein Ziel verfolgen oder ein Problem haben, dann schauen Sie darauf, was Ihnen jetzt gerade weiter hilft und was sich für Sie persönlich stimmig anfühlt. Nur das zählt.

Auf diese Weise bleiben Sie immer offen für weitere und noch stimmigere Möglichkeiten, Sie bleiben autonom und Sie bleiben im Fluss.



Seite 237 ff.


Herzzerreißendes Weinen

als höchst effektives Lösungswerkzeug

 

Olaf:

Können Sie sich daran erinnern, was ein Baby macht, wenn es von den Eltern aus Versehen verletzt wird? Die Eltern haben beispielsweise beim Hineinlegen in den Kinderwagen den Kopf des Babys am Rahmen des Kinderwagens gestoßen. Wenn dieser Stoß sehr heftig war, dann sieht man, wie sich anschließend das Gesicht des Babys verzerrt, sich dabei der Mund öffnet und es herzzerreißend anfängt zu schreien und zu weinen.

Können Sie sich vielleicht noch an Ihre eigene Kindheit erinnern – und daran, wie es Sie bei einer schmerzhaften Erfahrung einfach überwältigt hat, aus Ihnen herausgebrochen ist und Sie wie von selbst einfach angefangen haben zu schluchzen und zu weinen?

Bei fast allen Kindern können wir beobachten, dass sie sofort zu weinen beginnen, wenn sie sich verletzt haben oder mit ihnen geschimpft wurde. Der Schock, der Schreck und der Schmerz werden dadurch sofort auf natürliche Weise ausgedrückt und im Gehirn sowie im Herzen verarbeitet. Die meisten Menschen denken, Weinen ist ein normaler Ausdruck des Schmerzes – und wenn das Weinen aufhört, hört auch der Schmerz auf. Doch nach unserer Erfahrung ist Weinen ein Ausdruck eines Verarbeitungsprozesses! Und wenn das Weinen aufhört, hört auch der Verarbeitungsprozess auf!

Aus irgendeinem Grund benötigen wir Menschen so einen Verarbeitungsprozess. In der Tierwelt ist er kaum zu finden. Manche Tiere trauern bei einem Verlust, wie z. B. Elefanten oder Hunde. Aber ein lautes herzzerreißendes Schreien und tränenreiches Weinen scheint hauptsächlich uns Menschen vorbehalten zu sein. Die Neurowissenschaftler haben leider noch nicht erforschen können, was da in unserem Gehirn passiert und warum wir so einen Verarbeitungsprozess brauchen. Aber in jeder Therapie oder Lebenshilfe können wir entdecken, dass die Tränen zu fließen beginnen, sobald sich ein schmerzvolles und blockierendes Thema lösen darf.

Wer diesen Verarbeitungsprozess im Laufe seiner Kindheit verlernt hat, wird höchstwahrscheinlich erleben, dass sich sein Leben auf unverarbeiteten Schockerlebnissen aufbaut, die darauf warten, nachträglich verarbeitet zu werden. Er wird ebenso erleben, dass in der Gegenwart oft emotionale Phantomschmerzen getriggert werden. Das Schicksal klopft immer wieder durch schmerzhafte Erlebnisse an die Tür, um den Verarbeitungsprozess eines alten, inzwischen gewohnten Schockzustandes wieder in Fluss zu bringen.

Die Erfahrungen von Jacqueline und mir sind, dass sich Schockzustände und unverarbeitete Schmerzen nicht durch „Abwarten und Aussitzen“ lösen. Hier heilt die Zeit keine Wunden. Stattdessen prägt die Zeit starre Verhaltensstrukturen und eingeschränkte Realitätsabbildungen innerhalb der Grenzen, die durch die inzwischen gewohnten Schockzustände vorgegeben werden.

Werden schreckliche oder schmerzhafte Erlebnisse nicht sofort emotional mit Hilfe von Tränen komplett verarbeitet, dann wirken sie sich permanent auf unser gegenwärtiges Leben aus. Wir merken es kaum, weil wir uns an einen Schock recht schnell gewöhnen. Wir halten es für „normal“, wenn wir nach einem Schockerlebnis vermehrt Angst davor haben, dass sich diese schreckliche Situation wiederholt, oder wenn wir ein Vermeidungsverhalten entwickeln, sobald uns etwas oder jemand (unbewusst?) an die schreckliche Situation erinnert.

Unverarbeitete Schmerzen wirken nach unserer Erfahrung blockierend und hemmend. Man entwickelt Ängste, Vermeidungen, Unsicherheiten, Schüchternheit oder auf der anderen Seite Abwehrverhalten, Kämpfe, Abwertungen und verletzendes Verhalten gegenüber anderen Menschen. Außerdem wird die dunkle Wolke um das eigene Stimmigkeitsgefühl herum immer größer, so dass es einem immer schwerer fällt, zu seinem tiefsten inneren Maßstab Kontakt zu halten und sich an sich selbst zu orientieren. Man verliert den Zugang zu seinem Mitgefühl für sich selbst und für andere Menschen. Eine Problemtrance oder Kriegstrance entsteht, in der man sein „echtes Mitgefühl“ ausgeblendet hat, weil es mit zu vielen unverarbeiteten Schmerzsituationen verknüpft ist.

Was ist ein „echtes Mitgefühl“? Es ist die Fähigkeit, einen anderen Menschen verstehen zu können – und zwar so, dass sich dieser andere Mensch auch verstanden fühlt. Mitgefühl ist nicht, dem anderen Sympathiegefühle oder Liebesgefühle überzustülpen. Es ist ein tiefes, klares Verständnis, das durch eine sehr gut funktionierende Realitätsabbildung im Gehirn möglich wird. Auch wenn Ihnen von anderen Menschen schlimme und schreckliche Schicksale erzählt werden, können Sie das Erzählte intensiv mitfühlen und nachvollziehen, ohne dabei selbst in ein Problemgefühl zu rutschen.

Ob Sie dieses Verständnis in sich befreien konnten und wieder Zugang zu ihrem eigenen tiefen Stimmigkeitsgefühl haben, können Sie daran erkennen, dass sich die meisten Menschen (natürlich nicht alle) immer wieder von Ihnen verstanden, anerkannt und sich bei Ihnen dazugehörig, geborgen und gleichzeitig frei fühlen.



Seite 241 ff.

Jacqueline:

Vor einiger Zeit waren Olaf und ich mit dem Auto von Karlsruhe nach München unterwegs. Bereits als ich morgens wach wurde, ging es mir emotional gesehen gar nicht gut. Ich hatte fürchterlich schlechte Laune und hatte zu nichts Lust. Und nun musste ich auch noch packen und wegfahren.

Zu meiner Erleichterung übernahm Olaf das Fahren. Doch leider gab es auf der eigentlich nicht allzu langen Strecke etliche Baustellen, so dass sich die Fahrtzeit verlängerte und Olaf nicht die gesamte Strecke alleine fahren konnte. Irgendwann nach Ulm war er so müde, dass ich doch fahren musste. Lustlos setzte ich mich an das Steuer. In meinem Kopf wurde der Widerstand nun noch größer. Nicht, dass ich nur fahren muss. Nein – ich musste auch noch mit einem mir fremden Auto zurechtkommen (ich war bis zu dem Zeitpunkt kaum mit Olafs Auto gefahren). Ich schimpfte darüber, dass die Lenkung so empfindlich reagierte und ich mich in den ewig langen Baustellen stark konzentrieren musste. Ich meckerte darüber, dass ich das Gefühl hatte, keinen Überblick zu haben. Ich traute den Seitenspiegeln nicht, die den toten Winkel anzeigten. Gleichzeitig aber fragte ich mich, warum ich heute so fühlte. Denn normalerweise mag ich es sehr gerne, fremde Autos zu probieren und fahre gerne und gut Auto.

Als ich gerade einen LKW überholte, kam plötzlich von hinten ein großes schwarzes Auto angeflitzt und machte Lichthupe. Ich erschrak so heftig, dass ich anfing zu schimpfen: „Mensch, ja! Du siehst doch, dass ich nicht wegfahren kann!“ Da er so dicht auffuhr, dass ich seine Lichter nicht mehr sah, hatte ich entsetzlich Angst vor einem Unfall.

In dem Moment, in dem ich wieder auf die rechte Spur gewechselt hatte und die Gefahr in einem Affentempo davon gebraust war, musste ich dem Fahrer noch schimpfend einige Sätze hinterher schicken. Da sagte Olaf zu mir: „Ich glaube, es ist besser, wenn ich wieder fahre.“

Wie ihm später bewusst wurde und er mir später erzählte, wurde ihm in dem Moment mein Schimpfen zu viel. Er konnte es nicht in Ruhe geschehen lassen, weil er den Wunsch nach mehr innerer Ruhe hatte. Er wollte in diesem Moment meinen Stress nicht „in Resonanz“ mitfühlen müssen.

Jedenfalls verletzte mich seine Bemerkung in dem Moment sehr. Es entstand eine Diskussion darüber, dass ich es als normal empfinde, wenn ‚man‘ so erschreckt wird, dass ‚man‘ dem Schrecken auch Luft macht, so wie ich es getan hatte. Olaf war aber davon überzeugt, dass meine Reaktion keine ‚normale‘ Reaktion auf einen Schreck war, sondern ein nicht verarbeitetes Thema von mir aufzeigte, und wollte es mit mir klären.

Seine Fragen zu meinen Gefühlen in der Situation machten alles noch viel schlimmer und ich fühlte mich wieder einmal wie im Kreuzverhör mit meinem Vater. Ich fühlte mich klein, gedemütigt und vor allem unverstanden, statt liebevoll begleitet. Eine ‚normale‘, entspannte Reflexion über die Situation mit dem Raser war mit mir einfach nicht möglich. Der Widerstand in mir wurde immer größer: „Eigentlich wollte ich heute gar nicht Auto fahren, weil es mir sowieso schon nicht gut ging. Jetzt bin ich gefahren und nun ist es auch wieder nicht richtig, wie ich mich verhalte.“ Ich war sauer und verschloss mich immer mehr. Das Schlimme an dem Zustand war, dass ich selbst fühlte, dass etwas mit mir nicht stimmte. Doch ich kam aus dieser Problemtrance einfach nicht heraus. Gleichzeitig mochte ich mich selbst in diesem Zustand nicht.

 

Nichts, was Olaf versuchte, half mir. Ich war und blieb ungenießbar und mochte mich selbst nicht leiden.

Am nächsten Tag sollte unsere Veranstaltung beginnen und ich hatte keine Lust. Die erste Nacht in München war grauenvoll für mich gewesen. Ich hatte kaum geschlafen und war immer noch in der Distanz zu mir selbst gefangen. Ich mochte niemanden sehen und schon gar nicht anderen Menschen bei der Veran­st­altung zur Verfügung stehen. So blieb ich im Bett und Olaf begann die Veranstaltung allein.

Als ich alleine im Zimmer war, fühlte ich mich geschützt. Keiner war da, der mich beobachtete – der mir unangenehme Fragen stellte – der mir helfen wollte und mir doch nicht helfen konnte, weil ich es nicht zuließ. Keiner, dem ich dafür zur Verfügung stehen musste, um ihm zu sagen, dass seine Hilfsimpulse nicht helfen.

Ich fühlte in mich hinein. Welche Gefühle konnte ich wahrnehmen? Trotz, Widerstand und ein großes ‚Nein‘ in mir drin. Ich erinnerte mich nochmals an die Situation mit dem drängelnden Raser auf der Autobahn, fühlte nochmals die Angst.

Fast automatisch und blitzschnell fragte ich mich: „Was war gestern auf der Autobahn passiert? Wie könnte ich das Problem in einem Satz zusammenfassen? Was war die Essenz der von mir erlebten Situation?“ Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich erkannte den Spiegel hinter allem:

Der drängelnde Raser tags zuvor hatte versucht, seinen Wunsch ‚auf Teufel komm raus‘ durchzusetzen und hatte mich damit sehr erschreckt und uns beide in Gefahr gebracht.

Die Grunddynamik ist also: Da hatte jemand einen Wunsch und den hat er einem anderen übergestülpt und den anderen dabei erschreckt, verletzt bzw. in Gefahr gebracht. Das kannte ich sehr gut! Endlich hatte ich die Entsprechung in meinem Leben gefunden. Ich hatte es als Kind in meinem Leben öfter so empfunden, dass mir meine Eltern bzw. andere Erwachsene ihre Wünsche übergestülpt haben und ich dann bestraft oder verletzt wurde, wenn ich den Wunsch des anderen nicht erfüllte.

Beispielsweise war es in meinem Kindergarten in der DDR üblich, dass man zwischen Ankommen und Mittagspause einen Toilettengang für alle durchführte. Wer zwischen den gemeinsamen Toilettengängen auf die Toilette musste, wurde angemeckert. Der herrschende Wunsch war hier „der gemeinsame Toilettengang“. Wenn dies nicht erfüllt wurde, war die Bestrafung das Anmeckern.

Dann durfte für das ‚kleine Geschäft‘ kein Toilettenpapier benutzt werden, weil damals in der DDR das Toilettenpapier sehr rar war. Also musste gespart werden (= Wunsch). Doch zu lange auf der Toilette durfte man auch nicht sitzen – und ging dann ein Tropfen auf die Toilettenbrille, musste man diesen mit der eigenen Hand abwischen (= Bestrafung). Bereits damals als Dreijährige fand ich das alles sehr demütigend und ungerecht.

Ich sehe es so: Wann immer ein Mensch (Kind) beschimpft oder geschlagen wird, steckt bei dem Schimpfenden ein Wunsch dahinter, dessen Erfüllung gerade mit Gewalt erzwungen wird.

Ich selbst habe mit meinem Meckern über den drängelnden Raser mit der gleichen Dynamik reagiert. Ich hatte den Wunsch, dass ich beim Überholen des LKW nicht gefährdet werde und der Raser rechtzeitig bremst und geduldig wartet, bis ich wieder auf die rechte Spur fahre. Diesen Wunsch habe ich dem Raser übergestülpt. Olaf hat mir seinen Wunsch nach Ruhe und Analyse des ungelösten Themas übergestülpt und ich habe ihm meinen Wunsch nach freiem Ausdruck meiner Gefühle übergestülpt.

Das alles wurde mir im Bett liegend in München bewusst.

Im Moment dieser Bewusstwerdung brach ich in Tränen aus und musste intensiv darüber weinen. Über eine halbe Stunde lang ließ ich meine Gefühle fließen und habe über den Schmerz der vielen, mit Gewalt erzwungenen Wunscherfüllungen in meiner Kindheit herzzerreißend geweint.

Danach ging es mir wesentlich besser. Die Distanz, die Unlust und der Widerstand waren weg. Verarbeitet. Ich war endlich wieder offen und liebevoll. Bei dem Gedanken an den Raser waren zwei Dinge in meinem Gefühl: Die Klarheit, dass ich so ein Verhalten nicht in Ordnung finde, und gleichzeitig eine Ausgeglichenheit. Kein Ärger, keine Empörung und kein Kampfgefühl mehr. So konnte ich nun endlich an der Veranstaltung teilnehmen.

Dieses Thema konnte ich sechs Monate später noch weiter ‚ausfeilen‘: Ich entschied mich, jeden Raser entweder sofort vorbei zu lassen, egal wie eng die Lücke zwischen den rechts fahrenden LKW ist, oder etwas schneller als sonst zu überholen. Was ich auf dieser Fahrt erlebt habe, war für mich unbeschreiblich schön. Die schlimmsten Raser und Drängler haben sich bei mir bedankt, als ich in die engen Lücken zwischen den LKW auswich. Dies berührte mich so tief, dass ich vor Freude in Tränen ausbrach.




Seite 251

Jacqueline:

Olaf und ich nutzen unsere natürliche Verbundenheit und unseren darauf aufbauenden siebten Sinn (Mitgefühl, Empathie, Resonanz) effektiv zum Erforschen und Lösen von Problemen und von unverarbeiteten Schmerzen. Wenn einer von uns beiden ein Problem hat, möchte er die dahinter stehenden Wünsche in sich selbst und/oder im Umfeld erforschen und eventuell Lösungen für sein Problem finden.

Manchmal können wir die Existenz des Problems verstehen, manchmal erhalten wir sogar neue Impulse oder Anregungen, wie wir im Alltag mit dem Problem besser umgehen können und manchmal können wir das Problem gemeinsam lösen oder einen tiefen Schmerz verarbeiten.

Dabei ist immer derjenige, der das Problem hat, der Chef. Er ist als ‚Problemträger’ derjenige, der in den Spiegel schauen will. Er ist der beeinflussende Beobachter und Forscher. Der andere steht dem Chef als ‚Spiegelnder’ bzw. ‚Stellvertreter’ und manchmal auch als ‚Berater’ zur Verfügung. Er lässt sich durch den Chef beeinflussen, fühlt sich ein und agiert spontan.

Dann beobachten wir gemeinsam, was der Spiegel zeigt. Welche Gefühle, Gedanken oder Verhaltensweisen tauchen beim Spiegelnden auf und welche (subjektiven) Rückschlüsse könnte man auf das Problem des Problemträgers ziehen? Oder welche Reaktionen tauchen beim Problemträger auf, wenn er in den Spiegel schaut? Außerdem beobachten wir, welche Lösungen von dem Spiegelnden angeboten werden. Was will sich unter dem Einfluss des Problemträgers entfalten?

Dabei müssen wir nicht immer das gesamte körperliche Verhalten der spiegelnden Person beobachten. Es genügt auch, sich auf Gedankengänge oder innere Bilder zu beschränken. Welche Fantasien macht sich die spiegelnde Person unter dem Einfluss des Beobachters?

Im Folgenden führen wir Sie in die Technik des Fantasie-Spiegelns ein. Da diese Technik den Freien Systemischen Aufstellungen im Geiste sehr ähnlich ist, könnte man es auch ‚Geistiges Aufstellen’ oder ‚Inneres Aufstellen’ nennen....



Seite 275 ff.

Was ist eine Problemtrance?

Es ist ein Zustand, in dem wir ein Problem fühlen und sich unser Denken und Fühlen sehr stark auf dieses Gefühl konzentriert. Entweder müssen wir ganz viel reden und verspüren den Drang, dass unser Gegenüber uns endlich versteht, oder wir fühlen den Drang, unser Problem endlich einmal komplett in Worte zu fassen. Wobei es auch sehr gut sein kann, dass wir uns dabei in Rage reden und uns von keinem mehr unterbrechen lassen. Oder wir fühlen ein Problem, befinden uns im Stress und merken, wie wir in diesem Zustand nur noch lauter destruktive und ineffektive Gedanken haben. Manchmal ist unser Kopf sogar leer, z. B. in einer Prüfungssituation. Uns fällt nichts mehr ein, was wir vorher noch wussten. Kurz: In einer Problemtrance sind wir sehr auf einen Problemzustand konzentriert und bekommen nur noch wenig Zugang zu anderen Informationen in unserem Kopf. Unser Denken und Fühlen sind eingeschränkt.

 

Um meine Problemtrancen zu verändern, habe ich mir dieses Spiel für Klarträumer zunutze gemacht. Dabei spiele ich nicht mehr, um den Unterschied zwischen Wachzustand und Traumzustand besser wahrnehmen zu können. Sondern ich spiele ein verändertes Spiel, um den Unterschied zwischen einem emotional offenen Zustand und einer Problemtrance klarer wahrnehmen zu können. Dabei geht es immer darum, zwei Zustände des projizierenden Gehirns auf eine Weise miteinander zu verknüpfen, so dass der beschränkte Zustand sich erweitern kann. Ich nenne mein verändertes Spiel: „Realitäts-Abbildungs-Erweiterungs-Technik“ = REAWEITIK©. Dieser Begriff ist meine Eigenkreation.

Die REAWEITIK© ist das gezielte Einüben eines bestimmten Drei-Schritte-Verhaltensmusters:

1.  Sich immer wieder über den Tag verteilt – mit z. B. stündlich klingelndem Wecker – die Frage stellen: „Bin ich in Zustand A oder bin ich in Zustand B?“ Der erste von beiden Zuständen (A) ist ein gelöster, offener, freier, glücklicher Zustand, oder ein Zustand, in dem man eine bestimmte Fähigkeit beherrscht. Der andere Zustand (B) ist der Zustand, in welchem man eine Veränderung bewirken möchte.

Durch das Stellen dieser Frage wird quasi ein Wunsch nach einer Antwort erschaffen, eine „Wirkung“.

 

2.  Um eine körperliche (!) Antwort auf die Frage bei Punkt 1 zu erforschen (keine gedankliche Antwort im Gehirn), versucht man eine körperliche Aktivität durchzuführen, die in dem einen Zustand grundsätzlich möglich ist, in dem anderen Zustand aber definitiv nicht. Beispiel: Bin ich frei oder gefesselt? Um eine körperliche Antwort zu erhalten, versuche ich aktiv, meinen Körper in alle Richtungen zu bewegen.

3.  Dann beobachtet man, ob diese körperliche Aktivität durchführbar ist (stimmig) oder nicht (unstimmig), und zieht dann den Schluss daraus, in welchem Zustand man sich gerade befindet (= Bewertung/Zuordnung).

 

Die Wirkung der REAWEITIK© ist eine Bewusstwerdung der Unterschiede und damit eine deutlichere Wahrnehmung der beiden Zustände. Gleichzeitig werden die Bewusstheit und damit auch die Wahlmöglichkeiten innerhalb desjenigen Zustandes erhöht, in dem man eine Veränderung bewirken will. So wird eine Veränderung leichter möglich. Oft passiert sie sogar wie von selbst.



Seite 292 ff.

Wie wir unsere Problemtrancen nachhaltig auflösen

    - ein erlösender Überblick

 Olaf:

Als abschließenden Höhepunkt und Happy End unseres langen persönlichen Briefes an Sie geben wir Autoren im Folgenden einen Überblick. Wir fassen die Wege, Techniken und Sichtweisen zusammen, die wir in unserem Alltag zum Lösen von Problemtrancen nutzen. Zusätzlich weisen wir durch Seitenangaben darauf hin, wo wir in diesem Buch ausführlich über das erwähnte Thema geschrieben haben.

 

Sie können den folgenden Abschnitt auch später gezielt dafür nutzen, um ihn während einer Problemtrance zu lesen. Dadurch rufen Sie sich bestimmte Möglichkeiten wieder in Erinnerung, die Ihr Gehirn in einer Problemtrance gerade ausblendet.

Obwohl wir den Text selbst geschrieben haben, geht es uns genauso: In einer Problemtrance blendet unser Gehirn bestimmte Möglichkeiten aus und verengt sich auf das Problem. Es hilft uns immer wieder, den folgenden Text zu lesen. Denn wir entdecken jedes Mal mindestens einen Punkt, der uns hilft, unseren Blick wieder zu weiten und die Problemtrance schrittweise aufzulösen oder weiterzuentwickeln.

 

Wir Autoren haben die Erfahrung gemacht, dass wir nur Probleme lösen können, wenn wir sie dabei in der Gegenwart auch konkret fühlen, wenn wir uns also tatsächlich in einer Problemtrance befinden.

Deswegen empfehlen wir Ihnen, an allererster Stelle ....